Demografie Jedes dritte Mädchen wird hundert
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23. April 2019, 14:34 Uhr
Mehr Hundertjährige als jemals zuvor: Das prognostizieren die UN und Forschende aus Rostock. Wenn der Trend anhält, zumindest. Von den Mädchen, die heute geboren werden, soll jedes dritte länger als ein Jahrhundert leben.
Unter den Geburtstagsgratulaten findet sich zuweilen auch das Staatsoberhaupt, also der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin. Nur zu besonderem Anlass, versteht sich. Gratuliert wird zum 100. Geburtstag, zum 105. und ab dann jedes Jahr.
Fast 4.000 solcher Glückwünsche hat Frank-Walter Steinmeier im letzten Jahr überreicht. In Zukunft könnte das Glückwunschkartenschreiben noch deutlich schweißtreibender werden: Denn jedes dritte Mädchen, das jetzt in Deutschland geboren wird, erreicht das 100. Lebensjahr.
Das geht aus einer Studie des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung im Auftrag der Deutschen Versicherungswirtschaft hervor. Bei den Jungen ist es in Deutschland jeder zehnte, der dieses hohe Alter erreichen wird. Die Lebenserwartung wird bei 88,6 Jahren liegen, bei Frauen 94,8 Jahre.
Die Datengrundlage der Forscher sind Prognosen der Vereinten Nationen. Voraussetzung ist auch, dass der Trend zu einer höheren Lebenserwartung anhält. "Wir wissen zum Beispiel nicht genau, wie sich das Rauch- und Trinkverhalten in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird", sagt Dimitri Jdanov vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Außerdem sei es unsicher, inwieweit heute geborene Menschen von einer sich verbessernden Gesundheitsversorgung profitieren würden. Die Gründe für eine steigende Lebenserwartung liegen auf der Hand: Zum Beispiel steigender Wohlstand und, damit verwunden, eine bessere Gesundheitsversorgung. Faktoren wie eine gesündere Lebensweise gehen einher mit einem höheren Bildungsniveau.
Supercentenarian Englischer Begriff für Menschen, die 110 Jahre oder älter wurden. Weltweit leben nach Schätzungen derzeit 300-450 Menschen mit so hohem Alter. Als erster gilt der Niederländer Geert Adriaans Boomgaard, der 1899 mit über 110 Jahren starb.
Wie alt Menschen überhaupt werden können, ist bisher unklar. Eine Forschungsrichtung besagt, dass 140 Jahre machbar sind. Eine andere, dass Menschen theoretisch unendlich leben könnten. MDR-Gesundheitsexperte Dr. Carsten Lekutat: "Unendlich zu leben halte ich für unwahrscheinlich. Wenn ich eine schöne Porzellantasse habe, dann altert die nicht. Aber vielleicht fällt sie mir irgendwann runter." Die Tasse hat also, wie lebende Objekte auch, eine Sterblichkeit.
Die Fragen, wie viele Menschen auf der Erde "Platz haben" und ob wir Menschen mental überhaupt für die Ewigkeit geschaffen sind, sind nur zwei von vielen komplexen Überlegungen, die wir anstellen müssen, wenn wir das Leben künstlichen verlängern könnten. Da erscheinen die Sorgen im Bundespräsidialamt fast harmlos und einfach lösbar: Bei so vielen Hundertjährigen gratuliert das Staatsoberhaupt eben künftig erst zum 111. Geburtstag. Denn immerhin wurde 1996 schon einmal umgestellt. Bis dahin erhielten auch 101-, 102-, 103- und 104-Jährige beste Glückwünsche aus Schloss Bellevue. Weitere Änderungen sind aber erstmal nicht geplant.
Dieses Thema im Programm MDR AKTUELL | 31. Juli 2017 | 16:20 Uhr